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14.03.2024

Interim Management - Lust oder Last?

Nils Bohnes im ersten strandGespräch 2024

Nils, als Interim Manager warst du schon öfter für eine zeitlich begrenzte Zeit in diversen Unternehmen tätig. Was genau ist ein Interim Management und worin genau bestanden deine Aufgaben?


Du hast es schon ganz treffend angerissen. Als Interim Manager übernehme ich für einen vorher festgelegten Zeitraum eine offene Management-Position in einem Unternehmen. In der Zeit agiere ich wie ein fester Bestandteil der Firma. Intern im Unternehmen, aber auch nach außen z.B. im Gespräch mit Kunden.


Wo liegt in der Zeit der Schwerpunkt? Auf der internen Aufgabenstellung oder oder der Wirkung nach aussen?


Viele Menschen denken, es geht beim IM nur um die zeitliche Überbrückung, bis ein neuer festangestellter Manager gefunden wurde. Meine IMs gingen immer tiefer als das. Ich erarbeite und implementiere für und mit dem Team sowie der Geschäftsführung neue Strukturen. Ich bereite sozusagen die Firma und die Stelle so vor, dass der neue Stelleninhaber schlussendlich nicht komplett ins kalte und Wasser geschmissen wird.


Wie darf man sich den zeitlichen Aufwand vorstellen? Geschieht das in Vollzeit und deine anderen Projekte sind in der Zeit pausiert?


Es gibt immer verschiedene Arten und Formen eines IMs. Ich beschränke meine Interim-Projekte in der Regel auf 3 Tage pro Woche. Obwohl das auch nicht ganz stimmt. Wenn Du sagst, Du arbeitest von Montag bis Mittwoch in einem anderen Unternehmen, dann ist es ja nicht so, dass Du am Donnerstag und Freitag völlig weg bist vom Thema. E-Mails, Telefonate und das Tagesgeschäft schlafen in den anderen 2 Tagen ja nicht. Man ist halt nur nicht vor Ort im Büro.


Apropos „vor Ort im Büro“. Muss man zwingend vor Ort sein oder geht ein IM auch remote?


Das kommt auf die Unternehmensstruktur an. Ich kann es nur für die Jobs beurteilen, die ich in den letzten Jahren als IM gemacht habe - da war die Präsenz vor Ort unumgänglich, da es keine Remote-Firmen waren und alle Mitarbeiter an einem Standort saßen. Du musst Dir ja erst einmal möglichst schnell einen Überblick verschaffen, viele Gespräche mit den Mitarbeitern führen, die Situation erkennen und bewerten. Das geht aus der Ferne nicht so einfach. Die Präsenz ist auch ganz wichtig, auch um den Mitarbeitern vor Ort zu zeigen, dass man wirklich etwas bewegen und den Team-Gedanken leben will. Vertrauen schaffen ist da ein ganz wichtiger Punkt.


Das klingt nach einem recht hohen Aufwand. Ist ein IM da dann mehr Last oder Lust? Last wegen des hohen Aufwands und Lust wegen der finanziellen Vergütung?


Weder noch! Natürlich ist der Aufwand recht noch. Nicht nur zeitlich, sondern man muss auch in kurzer Zeit eine Menge Energie und Begeisterung investieren, um das Team zu erreichen. Ich wohne in Timmendorfer Strand und die Unternehmen sind meist viel weiter südlich niedergelassen. Wenn ich dann drei Tage in der Woche als IM tätig bin, kommen An- und Abreise noch dazu. Aber als Last empfinde ich es nicht.


Wie kann man sich den Zeitraum des Interim Managements vorstellen? Wie läuft das ab?


Ich hatte in den letzten Jahren zwei Interim Management-Projekte, eins in Frankfurt und eins in Mannheim. Da steigst Du morgens in den ersten Flieger um 6 Uhr und nimmst am Mittwoch den letzten wieder zurück nach Hamburg. Meist wird Dir für die Zwischenzeit ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Ich hatte aber auch schon einmal ein längeres Interim Management im Harz, da kommt man über die An- und Abreise mit dem PKW nicht hinweg. Das waren dann mal eben 700km in drei Tagen, zusätzlich zur eigentlichen Tätigkeit in der Firma. Und im letzten aktuellen Fall in der Eifel ist auch keine An- und Abreise mit der Deutschen Bahn möglich, da bleibt nur der PKW oder das Flugzeug mit einem Leihwagen.


Noch einmal die Frage: Eher Lust oder Last?!


Man muss immer das „Große Ganze“ sehen. Ich finde es immer extrem spannend, ein IM zu übernehmen. Da ist der Reiz, etwas Neues zu erfahren und in einem kurzen Zeitraum viel zu bewegen. Es ist wahrlich nicht so, dass man da oberflächlicher an die Aufgaben rangeht, weil der Einsatz ja beschränkt ist und man nicht völlig auf der Payroll des Unternehmens steht. Ich habe immer versucht, mich möglichst schnell mit dem Unternehmen und der Vorgehensweise zu identifizieren und jedem zu verdeutlichen, dass das für mich kein „Freizeitjob“ ist. Ich habe die Themen und alles drum herum immer zu 100% ernst genommen. Manchmal vielleicht mehr als man es erwartet hätte.


Woher kommen die Auftraggeber für ein IM?


Das ist unterschiedlich, genau so wie die Branchen. Es muss natürlich ein Bezug zur Tätigkeit gegeben sein. Niemand würde mich auf ein IM im medizinischen Bereich an der Uni-Klinik Lübeck ansprechen. Das würde ich der Menschheit auch nicht antun wollen (lacht). Nein, die Kunden die mich engagieren kennen meine Stärken, wissen woher ich komme, kennen meinen beruflichen Werdegang und versprechen sich ja auch zu Recht etwas davon. Oft geht es um Themen rund um Vertrieb und Marketing, Orga-Strukturen und Unternehmensführung. Die Grösse des Unternehmens spielt dabei keine Rolle. Da gab es in der Vergangenheit Grosskonzerne, aber auch kleine Familienunternehmen.


Und die Branchen sind auch erst einmal zweitrangig. Da hatte ich von der Logistik, über die internationale Hotelkette bis hin zum Motorsport alles im Portfolio. Es geht oftmals um Basis Know-How, wo die Branche gar nicht entscheidend ist. Ganz wichtig ist natürlich, dass man sich als IM möglichst schnell einen Überblick über Besonderheiten des Marktes und des Unternehmens sowie der Branche aneignet. Und dazu sind wiederum die Gespräche mit den Mitarbeitern vor Ort so wichtig. Die

Beauftragung erfolgt meist aus dem Kundenkreis. Entweder weil wir im Rahmen der Personalberatung eine Führungsposition zu besetzen haben, bei der wir wissen, dass es aus verschiedenen Gründen mindestens ein halbes Jahr bis zur Besetzung dauert. Oder aus dem Kreis der Entscheidungsträger, die mich kennen und mich gezielt ansprechen.


Ich stelle es mir sehr fordernd vor, kopfüber in ein neues Unternehmen zu springen und alle Stakeholder für dich zu gewinnen - obwohl der Zeitraum so begrenzt ist.


Das stimmt! Aber da sind wir bei deiner vorherigen Frage. Wenn wir von „Lust oder Last“ sprechen, überwiegt bei mir zu 100% die Lust. Die Lust, etwas Neues zu erfahren, die Lust auf ein neues Umfeld, die Lust, Menschen „abzuholen“, die Lust auf eine neue Herausforderung und auch die Lust, sich selbst weiter zu entwickeln.


In den IM-Projekten gibst du sehr viel. Inwiefern kannst Du Dich denn da selbst weiterentwickeln und auch Dinge mitnehmen?


Da fällt mir direkt ein aktuellen Beispiel ein. Wir arbeiten bei proAct Consulting seit Jahren erfolgreich mit einem CRM-System, das auf macOS basiert. Für ein Unternehmen unserer Grösse bietet dieses CRM System eine gute Basis für eine erfolgreiche Tätigkeit in der Personal- und Unternehmensberatung. Dann sitzt du plötzlich an einem Schreibtisch in einem Unternehmen, dass nicht den „angebissenen Apfel“ als Betriebssystem für die IT hat. Da muss man sich ganz schnell wieder in Windows-Systeme und andere CRM-Systeme einarbeiten. Und das lässt sich auf alle Bereiche ausweiten. Man stellt sich immer wieder neuen persönlichen Herausforderungen, neuen Branchen, neuen Problemen und neuen Ansichten. Da bleibt es nicht aus, dass etwas „kleben“ bleibt. Den Horizont regelmäßig so zu erweitern, macht mir einfach großen Spaß.


Gibt es für ein IM klare Zielsetzungen und hast Du diese immer erreicht?


Ja und nein! Klare Zielsetzungen gibt es natürlich - die werden vorab mit dem Auftraggeber besprochen und festgelegt. Es ist ja keine Hobbytätigkeit, sondern eine wichtige Zwischenstation für die Unternehmen, die im besten Fall wegweisend für die Zukunft ist. Was die Zielerreichung angeht: Nein, das klappt nicht immer.


Woran liegt das? Hast Du Dich über- und die Situation unterschätzt?


Mit Über- und Unterschätzung hat das gar nicht so viel zu tun. Das liegt viel mehr daran, dass sich die Herausforderungen machmal viel komplexer oder anders darstellen, als es vorab den Eindruck gemacht hat und besprochen wurde. In meinem letzten IM in der Eifel war das so. Da gab es sehr oft Themen, die plötzlich und unvorhergesehen aufkamen, ohne dass irgendjemand damit gerechnet hat. Das durchkreuzt dann oft die geschmiedeten Pläne und zwingt einen dazu, immer auf den Zehenspitzen zu bleiben, um schnell reagieren zu können.


Wann verbuchst du persönlich ein IM als erfolgreich?


Immer dann, wenn ich feststelle, dass ich etwas langfristig bewegen konnte. Etwas, das auch später noch Bestand hat, wenn ich schon längst wieder weg bin. Und wenn es mir gelingt, den dauerhaften Nachfolger erfolgreich in seine Management Aufgabe einzuführen und das Team an ihn zu übergeben.


Gibt es besonders schöne Momente, an die Du Dich erinnerst?


Ja, die gibt es absolut. Besonders schön ist es, wenn die Kontakte bestehen bleiben. Ich habe aus fast allen Interim Einsätzen heute noch Kontakt zu verschiedenen Mitarbeitern und das bestärkt einen natürlich sehr. Oft tauscht man sich noch telefonisch aus oder trifft sich nochmal persönlich. Auch, wenn man viel auf den Weg bringen kann - Den Satz „das war schon vor Deiner Zeit so und das hast Du auch nicht ändern können“ fällt immer mal wieder. Meist handelt es sich dabei dann um Anekdoten aus dem Tagesgeschäft oder irgendwelchen Erlebnissen, die man zusammen hatte und über die man dann auch herzhaft lachen kann.


Dein letztes IM in der Eifel im Motorsport ist abgeschlossen? Wann steht das Nächste an?


Aus dem letzten IM ergibt sich vielleicht noch eine Beiratsfunktion, was aber noch offen ist. Ansonsten ist aktuell kein IM geplant. Aber da bin ich jetzt lieber etwas vorsichtig in der Aussage. Denn immer dann, wenn ich gesagt habe, es ist aktuell nichts geplant, dann hat es doch nicht mehr lange gebraucht, bis zum nächsten Einsatz. Also abwarten …


Eines interessiert mich jetzt doch noch. Wir hatten ja schon über den persönlichen Einsatz und die Reisebereitschaft gesprochen, die ja recht hoch ist. Was sagt Deine Frau dazu, wenn Du so oft weg bist?


Ich gehöre noch zu der Generation, die nicht jeden Tag um 17h zu Hause oder im Fitness-Studio sein muss. Mir macht das Reisen Spaß und ich empfinde es als sehr positiv, auch um bei neuen Themen immer mitreden zu können. Ich bilde mir meine Meinung nicht über Google sondern leite es aus dem Erlebten ab. Meine Frau steht selbst mit beiden Beinen fest und erfolgreich im Berufsleben - und unsere Dynamik war schon immer so. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie das auch gar nicht anders will (lacht). Wahrscheinlich sind wir genau deshalb heute noch so ein gutes Team: weil wir uns immer etwas zu erzählen haben. Sie aus ihrem Job und ich aus meinem. Und Erlebnisse, die es zu erzählen gibt, haben wir beide genug. Dafür sind dann die Wochenenden da und die Zeit in der ich nicht auf Geschäftsreise bin.


Ein wirklich spannendes Thema - Danke für den Einblick, Nils! Wir sind gespannt, welches Projekt als Nächstes auf dich wartet… :-)

 

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